Medien müssen junge Menschen besser ansprechen

Claudia Deeg (34. Lehrredaktion) ist heute Journalistin beim SWR. Am Tag der Pressefreiheit war sie an der Gerhart-Hauptmann-Schule in Wiesbaden. Ihre Erfahrung:  Medien müssen junge Menschen besser ansprechen.

Manche Sachen ändern sich nie. Das Gewusel und Gequatsche frühmorgens vor und im Schulgebäude hört sich an wie früher, als die Gerhart-Hauptmann-Schule in Wiesbaden noch keine Realschule, sondern ein Gymnasium war. Im Computerraum dann Stille, Aufmerksamkeit.

Meine Frage: „Wie informiert Ihr Euch?“ ist von den insgesamt 65 Schülerinnen und Schülern, die mir in den jeweiligen Doppelstunden mit der 10E, der 10A und einer 9. Klasse gegenüber sitzen, kurz beantwortet: „Instagram, Snapchat, Youtube, Facebook“. Wenn die Jugendlichen für die Schule recherchieren, googlen sie und landen auch mal auf Seiten deutscher TV-Sender oder Zeitungen.

„Guckt Ihr zu Hause Fernsehnachrichten?“

„Selten, eher zufällig, mit den Eltern ab und zu.“ „Oder in der Halbzeitpause in der Champions League“, sagt ein Schüler und lacht. Was teuer eingekaufte Sportrechte möglich machen… Kinder und ihre Eltern, die selten oder nie öffentlich-rechtliches Fernsehen schauen, haben in diesen Momenten einen Zugang. Die Fußball-WM kann kommen!

Einige Schülerinnen und Schüler sehen Berichterstattung kritisch: „Die Medien rennen oft in dieselbe Richtung.“ „Warum macht ihr erfolgreiche Rapper kaputt?“ Immer wieder geht es um die Echo-Verleihung und die Diskussion um Kollegah und Farid Bang. „Jetzt kommen die Alten und geben ihren Echo zurück, große Medien machen die beiden Rapper fertig, aber wir – die Jungen – finden sie gut.“

Die Schülerinnen und Schüler der Klassen haben den Eindruck, sie kommen mit ihrer Meinung zu kurz, werden nicht repräsentiert. Dass es Interviews mit den Rappern und deren Fans gab, geht offenbar unter. Wir reden über Antisemitismus und den Spagat zwischen Meinungsfreiheit, künstlerischer Freiheit und moralischer Verantwortung, Menschenwürde.

Einige kennen funk – das Jugendangebot von ARD und ZDF – und nutzen es. Wir schauen einen Ausschnitt namens Lösch Dich: So organisiert ist der Hass im Netz.  Ein Schüler fragt: „Aber ist da nicht immer alles ‚links‘?“

Auch die Türkei-Berichterstattung in Deutschland ist in den Augen mancher Schüler einseitig, zu Erdogan-kritisch. Sie schauen lieber türkisches Fernsehen. „Ist das einseitig?“, frage ich. Zögern, Raunen, Lachen. Wir einigen uns darauf, dass es Sinn macht, unterschiedliche Quellen zu nutzen. Sich nicht einfach berieseln lassen, die Infos, die ich automatisch per Grundeinstellung über mein Smartphone bekomme, auch mal hinterfragen.

Ich bin beeindruckt, wie offen und sachlich heikle Themen diskutiert werden – unter Erdogan-Anhängern und Erdogan-Kritikern in einer Klasse. Sicher auch das Verdienst der Lehrerinnen und Lehrer.

Wir spielen das Fake-Finder-Quiz des SWR und amüsieren uns, wenn die Mehrheit daneben liegt, wenn es darum geht „fake“ oder „not fake“ einzuschätzen. Und alle schauen mit großem Interesse „So geht Medien“ – das Tutorial über Fake News.

Bei aller Kritik waren wir uns einig: Pressefreiheit und Medienvielfalt sind ein wichtiger Bestandteil der Demokratie. Die Betroffenheit war groß, als wir darüber sprachen, dass Journalisten ermordet werden, weil sie Missstände aufdecken – selbst in Europa, wie in Malta und der Slowakei.